Dort wo saftige Schieferscheiben
Schatten zwischen plüschgrüne Hügel treiben
Dort wo wellen-gewundene
Flachlandstraßen mit Fachwerkschluchten
Buchten bilden


Dort wo die blaue Zunge gierig durchs Rheinestale schleckt
In Strömen ihren Speichel bis zur Nordsee hin erstreckt
Dort ward einmal ein goldnes Ei gefunden
auf einem Felse am Rheine hoch oben entbunden
von jungfräulichem Blut geschunden
von der Mutter sah man keine Spur im Tale
einzig weiß man Leda war ihr Name

 

Weinen hört man sie am Regentage
an der Schale
einzig eine Feder
da lag in weißer Farbe
So begann die Sage:
An einem Vollmondstage
wand sich eine Dame
halb Mensch, halb Schwane
Aus Marmor’s Schale


Sie ward von Schönheit geküsst
Mit langem, geraden Hals geschmückt
Und ihre Mähne golden wehend wie Venen
Wie ein Leuchtturm in der Ferne
War sie dem Fährmann die Laterne
Die Augen gleich der Sterne
Die Brüste wie zwei Berge
So sang sie abendlich im Dämmerlicht
„Oh Vergiss mein nicht“

Soda die
bäuchigsten Buge brachen
Männer Männern vor Eifer ins Herze stachen
Kinder und Frauen
sich über die Reling rings erbrachen
Weil sie nimmer hörten, so prächtige Sprache!
Bis Wracksplitter die Algenwelt alsbald bedeckte
Bis ein jeder Schiffsmann
ihren blechernen Blicke schreckte

 

Bis unsre Dame
Sich schamvoll vor sich selbst versteckte
So kämmte sie stumm im
Mondesschimmerschein
ihr güldnes Haar,
Bis es sanft und seidig ward
„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin“
Sang sie nur selten vor sich hin
Doch das Weisenkind
im weißen Federkleid
was sie auch tut,
verursacht sie doch Leid,
sobald sie ihre Klage schreit


Eines Winters als Schneeflocken ihr Haar schon weiß befleckte
Sich im Tale zwischen Schlamm und Eis
Zwischen Reben und müden Flügelschlägen schwebend
eine weiße Rose sich da raunend reckte,
deren Duft sie bis oben süßlich
auf den Lippen schmeckte


Eine Rose so rein, so reich, so weich ,
Lockte die Nackte sogleich
Sodass sie stieg die Dame,
halb Mensch, halb Schwane
vom Schiefer hinab
ins Tale und gleitet greifend,
die roten Finger schon spreizend
zur Rose hinüber
neigte die Nase vornüber
und war von Liebe übervoll
der Rose übertoll!
Sodass sie stieg die Brandung herab
Sodass sie blieb am Ufer anstatt
So huscht sie heilsam enthaltsam an Ufers Wiesen
Die Rose jeden Tag mit Rheineswasser gießend
Dort wo sie geht,
da bunte Blumen sprießen
ohne jemals wieder Kapitäne zu verdrießen

 

Mit ihr die weiße Rose
Eine Waise wie sie,
in die Locken gesteckt, entdeckt
sie eines himmelsrosa Morgen
ein Khan knatternd am Anlegerhang,
auf ihm ein Mann von Rittersstamm
das Gesicht schon faltig, doch zärtlich
der Blick verstohlen , doch ehrlich
die Hände schweigsam doch gebärlich
zu einem Gruße geneigt
Auf Facebook hätte sie sein Profilbild geliked
Auf Tinder hätte sie nach rechts geswiped
„Wo kommst du her? Wie heißt du, junge Dame?
Du hast des Vogels Arme
Und des Menschens Haare.“


„Ich wurde in einem Ei geboren
Hoch oben am Rheine auf einem Felsen.
Von meiner Mutter seh ich nur Gespenster
Des Nachts hör ich sie manchmal schreien
Einen Namen ,Fremder, tat mir niemand verleihen“
„Drum nenn ich dich Lore, wie das Gold auf deinem Hoore,
und Ey soll deines Namens letzte Silbe tragen,
als deine Glieder in der Schale lagen!
So sollt jemand jemals wieder fragen, kannst du sagen:
Loreley, das ist mein Name.
Gold wie meine Haare und Ei so wie die Schale.“


So gleich fiel sie in seine Gnanden,
verzaubert ward sie
von den starken Rudersarmen,
unten, von den wackren Waden
Hannes ward sein Namen
und bat ihn drum mit ihm zu fahren
Denn jetzt, wo sie einen Namen trüge,
sei ihr das Lande nicht mehr genüge,
dass er sie in die Welt hinaus da führe
dass ein jeder ihren Namen nun erführe.

 

Er nahm sie mit doch

ACH sie litt
Als sie erfuhr,
dass er auf Männers Menschen stur
Nur Knaben liebte
Nach keiner Frau Sein Herz da ziemte


Und
Ach sie litt
Und
Ach sie brach
Als Weise ohne Namen,
sie doch besser starb!


Am Tage verschlug es ihr die Sprache
Und in der Nacht,
da lag sie wach,
die Flügel zum Fluge weit spreizend,
Doch Fliegen hatte sie nie gelernt
Die Haare vor Scham fast silber verfärbt
Drum warf sie die Rose
Über Bord und
Mit ihr sprang
Sie Fort
Und
An jener Stelle
Dort wo Welle
Auf Welle
An Felsen prelle
Dort wo im Winter
Weiße Rosen wachsen
Sieht man bis heute
tief im Rheine versunken
ein Silberschimmer
güldner Locken funkeln